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Der edle Wilde

Farn, Smaragd, Pistazie, Jade, so viele Grüntöne an einem Ort! Vor fast schwarzgrünen Wänden aus Urwaldriesen, Schling- und Aufsetzerpflanzen leuchten die Farben umso intensiver, wenn nach dem Regen ein paar Sonnenstrahlen durch das hohe Dach der Baumkronen dringen. Im Bergnebelwald der äthiopischen Provinz Kaffa glaubt man die Grünschattierungen sogar zu riechen zwischen Düften von Honig und feuchtem Lehm. Da raschelt das Blattwerk: Ein scheuer Mantelaffe schwingt sich von Wipfel zu Wipfel und lässt seinen Umhang aus weißen Haaren fliegen. Bleibt neben einem Artgenossen hocken und beäugt von oben herab neugierig die Eindringlinge – wie diese ihn.
Unten sind auf schmalem Pfad einige Bauern aus dem Dorf Uffa auf dem Weg zu ihren Urwaldschätzen. Begleitet werden sie von Entwicklungsexperten und Naturschützern, weit gereist, die eine außergewöhnliche deutsch-äthiopische Zusammenarbeit voranbringen wollen. In ihrem Mittelpunkt stehen der 53-jährige Florian Hammerstein, ein Unternehmer aus Freiburg, und seine Firma Original Food. Seit einigen Jahren bemüht er sich in den Wäldern von Kaffa, eine dauerhafte Balance zu finden auf der »immer dünner werdenden Linie zwischen Wandel und Zerstörung«, wie der mitgereiste Naturschützer und Äthiopienexperte Michael Succow sagt. Succow ist Landschaftsökologe an der Universität Greifswald und Träger des Alternativen Nobelpreises. Und wie er erleben kann, sind Hammerstein und seine Mitstreiter schon weit gekommen: Es ist ihnen gelungen, ein Geschäft aufzubauen und dabei 6600 äthiopische Bauern mit ihren meist sehr großen Familien einem harten, dem schieren Überleben gewidmeten Einzelkampf zu entreißen. Der abgelegenen Region Kaffa haben sie zu einer besseren wirtschaftlichen Perspektive verholfen. Und zu der Hoffnung, dass auch der Urwald zu retten sei.
40 Prozent des Landes waren mit Wald bedeckt, heute sind es drei Prozent
»Kaffas Wälder bluten!« Mesfin Tekeles Warnung könnte in kaum größerem Widerspruch zur Opulenz der Sinnesreize stehen. Der Forstwirt lehnt sich an einen bemoosten Stamm und zieht eine bittere Bilanz: Allein zwischen 1980 und 2000 seien 43 Prozent des dichten Grüns gerodet worden. »Seither hat sich die Zerstörung im Bonga Forest eher noch beschleunigt«, ergänzt Svane Bender-Kaphengst vom Naturschutzbund Nabu. Und dieser Wald ist einer der letzten Äthiopiens: Noch in den siebziger Jahren lagen 40 Prozent des Landes unter einer dichten Vegetationsdecke – übrig sind keine drei Prozent mehr. Sirenenhaft sirren die Zikaden, ein Hornvogelpaar schreit.
Dabei ist der Dschungel von Kaffa nicht nur seiner Schönheit und der Mannigfaltigkeit seiner 244 Pflanzen- und 294 Tierarten wegen so kostbar, wegen der nur hier vorkommenden Blumen und Heilgewächse, wegen der Käfer, Schmetterlinge, Vögel, Flusspferde, Antilopen; selbst von einzelnen Leoparden und Löwen wird er, erzählen die Bauern respektvoll, dann und wann noch durchstreift. Die Wälder sind auch eine existenzielle Ressource für alles Leben, alles Wirtschaften in der Region: Über den ewigen Kreislauf aus Wasserspeicherung und Verdunstung kühlen sie das lokale Klima. Sie speisen die fruchtbaren Äcker des südwestlichen Hochlandes mit Feuchtigkeit und nähren aus den Mooren und Feuchtgebieten in ihrer Tiefe den Gojeb-Fluss, der in die afrikanische Lebensader Omo mündet. Zu schweigen davon, wie viel Kohlenstoff die üppige Pflanzenwelt bindet. Wie kann, daran arbeiten Unternehmen, Entwicklungshelfer und Biologen, diese Wildnis erhalten werden? Vor allem: Wie verbessert man gleichzeitig die Lage der Bauern?
Denn auch ihrer Armut wegen setzt sich der Raubbau an den verbliebenen rund 340000 Hektar teils noch unberührten Waldes fort. Mit krummem Rücken schleppen die Frauen wahre Holzgebirge als Brennstoff und Baumaterial die Staubstraßen entlang. Ihre Familien werden größer und roden mächtige Urwaldriesen, um kultivierbares Land zu gewinnen. Selbst an erdrutschgefährdeten Steilhängen kümmern zwischen den Baumriesenstümpfen Mais- und Hirsepflanzen, die auch Zuwanderer aus Äthiopiens vertrocknendem Norden angebaut haben. Überdies wollen Investoren Plantagen anlegen, um die Ernte später zu exportieren. Oft werden sie dabei von der Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba gefördert, die Devisen in erster Linie aus der Agrarproduktion ziehen kann.
2008 bekamen die Kaffeesammler das Doppelte des Weltmarktpreises
Die Chance auf Wandel ohne Zerstörung bietet nun ein Strauch, dessen rostrote Kirschen im Dickicht des Urwalds ins Auge stechen: Coffea arabica, die edelste Kaffeeart, mit der jeden Tag Millionen Menschen weltweit ihren Tag beginnen. Ihren Ursprung hat sie genau hier: im Bergnebelwald von Kaffa. Im Schatten seiner grünen Schirme gedeiht die lichtscheue Pflanze in schier grenzenloser Vielfalt; auf zierlichen Büschen und manchmal über hundertjährigen, als heilig verehrten Stämmen bringt sie immer neue Erscheinungsformen, Widerstandsfähigkeiten, Geschmacksnoten hervor. Es ist Kaffee in seiner Urform.
Seit einigen Jahren werden diese wilden Bohnen nun von Hammerstein mit wachsendem Erfolg vermarktet. Und damit zugleich noch ganz andere Dinge belegt: zum Beispiel, dass es Formen des Kapitalismus gibt, die den menschlichen Eigennutz mit dem Respekt für Gemeinschaftsgüter versöhnen; auch, dass ein Unternehmer sehr viel mehr Ziele befördern kann als nur sein eigenes Profitinteresse.
Hammerstein arbeitete zuletzt als Marketingberater in der Lebensmittelbranche . Dann gründete er mit Partnern Original Food. Heute importiert er vor allem den Wildkaffee aus Äthiopien – neben nachhaltig erzeugtem Tee aus Nepal und Kakao aus Ecuador. Gerade mal zehn feste Mitarbeiter hat sein Kontor in Freiburg; vier Röster und Lagerhalter sind Auftragnehmer. Rund 145 Tonnen Wildkaffee kauft das »Sozialunternehmen« in dieser Saison in Kaffa auf. Damit sollen drei Viertel des Umsatzes von rund zwei Millionen Euro erwirtschaftet werden.
Je nach Bezugsquelle sind die Verbraucher bereit, für 250 Gramm zwischen 6,95 Euro und 9,50 Euro für den – zertifizierten – ökologischen und sozialen Mehrwert des Kaffees auszugeben. Rund die Hälfte dieser Summe bleibe im Handel, sagt Florian Hammerstein. Zum hohen Preis trage auch eine Veredelungsmethode bei, die aufwendiger und teurer sei als die für Industriekaffee. Beziehen kann man den Wildkaffee über das Internet und in bisher 400 Bio-, Dritte-Welt- und Delikatessläden. Zu den Abnehmern gehören auch einige Großkunden und Edelgastronomen wie das 3-Sterne-Restaurant Schwarzwaldstube in Baiersbronn.
Den Kaffeesammlern in Bonga brachte ihre rote Bohne im Jahr 2007 rund 60 Prozent mehr als den Weltmarktpreis und im vergangenen Jahr das Doppelte. Von Anfang an, sagt Florian Hammerstein, sei es ihm nicht allein um das Geschäft mit der Mischung aus Genuss und reinem Gewissen gegangen. »Ich wollte den Kleinbauern einen Weg in die positiven Dimensionen der Globalisierung ebnen«, sagt er, »damit sie deren negativen Wirkungen nicht mehr mittellos ausgeliefert sind.«
Den ersten Anstoß bekam der Diplomkaufmann im Jahr 2001 von einem anderen Pionier: Reiner Klingholz, damals Geschäftsführer des Vereins Geo schützt den Regenwald, hatte es bei einer Afrikareise in Kaffas Verwaltungsstädtchen Bonga verschlagen, und immer wieder luden ihn die Bauern dort zur traditionellen Kaffeezeremonie ein. Auf niedrigen Dreibeinern hockt man dabei um ein Stövchen aus Gusseisen, der Brandgeruch der glühenden Holzkohle verflüchtigt sich im Weihrauchduft. Darüber rösten Frauen die Bohnen frisch in der Pfanne. Dann werden sie mit dem Mörser zerstampft, heiß überbrüht, in Schalen aus Bambus gegossen, und schließlich genießt man den Kaffee gewürzt mit Kardamom aus Kaffas Wäldern.
Klingholz, der nicht nur Waldschützer ist, sondern auch Gourmet, war begeistert: Welch ein Geschmack! Dieser unverzüchtete, in der Sonne getrocknete Kaffee hatte wenig Säure und einen besonderen Reichtum an Aromen; intensiv fruchtig und süßlich. Umso erstaunlicher, dass die armen Farmer ihn allenfalls lokal verkauften. Doch auf den Weltmärkten gab es in jenen Jahren ein immenses Überangebot, und die Preise lagen tief. Da lohnte sich für die »Kaffechos«, wie sich die Nachfahren eines alten Königreiches nennen, weder der Anbau noch die Ernte im Wald.
So kam die Idee auf: Wenn man den Bauern den doppelten Weltmarktpreis dafür bezahlte, dass sie den Urkaffee pflücken, dachte Klingholz; wenn man ihnen überdies die Abnahme ihrer Ernte garantierte, dann würden sie nicht nur besser verdienen, sondern zugleich ein größeres Interesse am Waldschutz entwickeln. Denn dann würde der Dschungel nicht mehr durch Raubbau zur Einkommensquelle, sondern durch langfristige Nutzung.
Die Logik lag auf der Hand, doch wer sollte die neue Wertschöpfungskette bis nach Europa Glied für Glied schmieden? Zu Beginn des Jahrtausends war fairer Handel noch auf wenige Dritte-Welt-Laden-Getreue beschränkt und eine Vielfalt der Kaffeesorten wie heute bei Alnatura oder Starbucks unbekannt. In Kaffa selbst gab es zudem nur Staubstraßen und weder Transportmittel noch Lagerhäuser, ja nicht mal Säcke. Als wenig hilfreich erwiesen sich die Experten des Massengeschäfts, denen Klingholz eine Probe des Waldkaffees unter die Nase hielt. Die Geschmackstester von Tchibo zum Beispiel waren zwar hingerissen. Aber dann schickten sie ihre Gewährsleute nach Bonga, um sich die hochwertigen Bohnen, die sie selbst in ihrer Welt aus internationalen Börsengeschäften und Billigmischungen nie entdeckt hatten, im Vorgriff zu sichern. Schon für die Schiffscontainer erwies sich die Menge des Wildkaffees jedoch als zu gering. Und den Bauern mehr zahlen? Anders Florian Hammerstein. Der sagte am Telefon sofort: »Das mach ich!«
Dass da ein paar Deutsche für den Waldkaffee etwas bieten wollten, sprach sich in Kaffa schnell herum. Doch als die Bauern 2002 die ersten Zentner mit dem Esel zur Sammelstelle nach Bonga brachten, zeigten sich dem unbekümmert risikofreudigen Unternehmer und dem Regenwaldschützer weitere Hindernisse: Reife und noch ganz grüne, erstklassige und von Feuchtigkeit angeschimmelte Bohnen waren miteinander vermischt »wie ein französischer Premier Grand Cru Classé mit algerischem Landwein«, erinnern sich Klingholz und Hammerstein. Um Zeit bei der mühsamen Pflückerei an verstreuten Bäumchen zu sparen, hatten die Sammler alle Früchte gleichzeitig von den Sträuchern gezupft.
Sobald es regnet, eilen die Frauen herbei, um die Bohnen abzudecken
Es dauerte eine Saison lang, bis zunächst 400 Bauern gelernt hatten, den europäischen Qualitätsansprüchen an ein Produkt für Feinschmecker gerecht zu werden. Nur die reifen roten Kirschen dürfen sie ernten. Überall sieht man den Kaffee jetzt auf Gerüsten statt am Boden in der Sonne trocknen, und sobald es regnet, eilen die Frauen aus ihren runden Hütten, um ihn mit einer Plane abzudecken. Ein geliehener Lkw der lokalen Regierung konnte schließlich im Juni 2003 die ersten Säcke mit Waldkaffee nach Addis Abeba bringen. Über Dschibuti reist er seither in langsam wachsenden Mengen nach Europa.
Damit möglichst wenig gestritten und die Natur geschont wird, haben die Bauern Waldnutzer-Organisationen gegründet. Auch die Sammler in Uffa legen für ein abgestecktes Gebiet und meist auf der Grundlage traditioneller Übereinkünfte gemeinsam Rechte, Regeln und einen Managementplan fest, erzählt ihr Dorfvorsteher Asafa Wolde Sanbet.
Reich wird zwar auch heute noch keiner

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. Wolde Sanbet lebt mit seiner Frau und fünf Kindern weiter von seinen Tieren, vom Brot aus einheimischem Teff-Getreide oder der Enset-Banane, von Hülsenfrüchten. 4,5 Hektar Land bestellt er mit Ochsen und Hakenpflug, ein hartes Joch. So war es schon immer für den hochgewachsenen Mann mit den feinen Gesichtszügen, und wenn man ihn fragt, ob er lieber etwas anderes machen würde, dann schüttelt er stolz den Kopf: »Sagen Sie doch nicht so was.«

Aber er sagt auch: »Ich sehe eine hellere Zukunft vor uns liegen, seit wir ein Zusatzeinkommen haben.« Die Erfüllung seines Traumes von modernen Ackermaschinen rücke in greifbare Nähe; vielleicht auch der von einer eigenen Mühle im Dorf. Schon jetzt sei das Leben besser: »Wir haben mehr Sicherheit, dass es für unsere Kinder genug zu essen gibt. Wir können uns stabilere Häuser und genug Kleider leisten.«
Früher hätten die Leute auch deshalb kaum Kaffee vermarktet, sagt der Dorfvorsteher, weil Zwischenhändler ihre Not mit willkürlichen Preisen ausnutzten; »dann hat man sie nie wieder gesehen«. Beim Direktverkauf an den Importeur indes bekämen die Subsistenzbauern nicht nur den besseren Preis: »Es gibt auch Dividenden!«
Was heißt überhaupt »wilder Kaffee« oder »Waldkaffee«?
Dafür sorgt die Kaffa Forest Coffee Farmers Cooperative Union, zu der sich 25 lokale Genossenschaften zusammengeschlossen haben. Sie zahlt eine Ausschüttung, wenn sie den Kaffee gut absetzen konnte. Das gelingt immer besser; der weltweite Spezialitäten-Hype führt dazu, dass sich in der Region neue Abnehmer tummeln. Hitzig wird schon debattiert, welche Ware überhaupt »wild« oder »Waldkaffee« genannt werden darf. Denn die Leute in Kaffa kultivieren Pflanzen aus dem Wald auch in ihrem Garten oder lassen ihre Landsorten auf geschlagenen Lichtungen wachsen. Der Wettbewerb jedenfalls blüht, mit dem Florian Hammerstein den Bauern den Rücken stärken wollte, und der Importeur hat darin nun selbst zu bestehen: Dieses Jahr musste er sein Angebot an die Kooperative um einige Cent pro Kilo erhöhen, um den Zuschlag für die Ware zu bekommen. Auch deshalb wird Original Food vermutlich erst im Jahr 2009 in die Gewinnzone kommen. Aber dank Anteilseignern wie dem engagierten Hamburger Unternehmensberater Hans Hermann Münchmeyer hatte die Firma einen langen finanziellen Atem.
Zur Wahrheit über Original Food gehört auch, dass ein so kleines Unternehmen die Aufbauarbeit in Kaffa allein nicht hätte stemmen können. Vor allem in die Kooperativen, den Aufbau ihrer Verwaltung und die Schulung der Bauern flossen insgesamt 1,5 Millionen Euro an Geld- und Sachleistungen durch Unterstützung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Zu dem Helfer-Konsortium gehören außerdem Geo schützt den Regenwald, der Nahrungskonzern Kraft Jacobs und der Naturschutzbund Nabu. Die Stiftung Weltbevölkerung versucht derweil, mit Projekten zur Familienplanung zum Waldschutz beizutragen; man kooperiert überdies mit der Welternährungsorganisation FAO. Gemeinsam schufen die Beteiligten die Voraussetzung dafür, dass die Kaffeebauern ein vermarktbares Produkt anbieten können – und Pflanzen und Tiere eine Überlebenschance haben.
Bisher hat die GTZ die Koordination in Bonga übernommen, die übrigen Partner sorgen sich jedoch, dass sie aussteigt. Denn die GTZ will nach eigenen Angaben eher Anstoßgeber sein als Dauerpartner. Dabei könnte der waldschützende Kaffeehandel in einer nächsten Ausbaustufe noch weitere Kreise ziehen: Ein Biosphärenreservat nach Regeln der Unesco soll in Kaffa entstehen und dem Raubbau am Urwald noch wirksamer vorbeugen. Dabei werden zwar bestimmte Zonen – wie es die Organisation für den Schutz des Weltkulturerbes verlangt – ganz für tabu erklärt. Aber andere Teile des Reservates könnten die Bewohner auch noch für sanften Tourismus erschließen. Letztlich, so die optimistische Prognose Florian Hammersteins, könnten fünfmal so viele Bauernfamilien am Edelkaffee verdienen wie heute. Die Naturschützer werden nur darauf achten müssen, dass der Erfolg nicht paradoxerweise neuen Raubbau begründet.

Quelle:www.zeit.de, Artikel von Christiane Grefe

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